Die NCAA gegen die NFL – aus der Sicht eines Sportwetters

In den USA gibt es zwei Sorten von Footballfans: Erstens die, die den Profifootball lieben, weil er schneller, härter, passintensiver ist und es „richtige Stars“ gibt und zweitens diejenigen für die nur die Colleges noch echten Football spielen, da in der NFL nur hochgezüchtete Weltklasse-Athleten gegeneinander antreten und das Herz des Spiels verloren geht.

Sportwetter haben wie so oft eine etwas andere Sicht auf die Dinge, für sie haben NCAA und NFL andere Vor- und Nachteile, auf die ich im folgenden etwas eingehen will.

Die NFL hat für vor allem den Vorteil berechenbarer zu sein. Man kennt alle Spieler, man kennt alle Statistiken, man kann jedes Spiel im Fernsehen verfolgen, man weiss genau „was man sich da einkauft“ wenn man eine Wette platziert. Der Profisport ist in den USA im Allgemeinen sehr transparent und die NFL macht da keine Ausnahme, man kann für fast alles eine Statistik finden (gut, zugegeben, an die MLB kommt man bei weitem nicht heran) und kennt die Stärken und Schwächen jedes einzelnen Teams genau. Dazu kommt, dass man durch die Preseason auch die zweite und dritte Reihe schon spielen gesehen hat und dementsprechend weiss, auf wen bei einer Verletzung der ersten Reihe Verlass ist – und auf wen nicht.

Ganz anders die NCAA: Unmengen von Teams spielen gegeneinander, es gibt riesige Kader und Spieler wechseln teilweise wild zwischen Offense, Defense und Special Teams hin und her. Das ein Linebacker der vorherigen Saison auf einmal als Runningback aufläuft ist nicht unbedingt etwas besonderes und bis auf die Top25 der AP und noch 10-15 große Teams wie Notre Dame und USC kennen die meisten Sportfreunde die Teams nicht. Dazu kommt, dass die Statistiken weitaus weniger verlässlich sind, da die Leistungsfähigkeit der einzelnen Colleges extrem unterschiedlich ist. Eine 3-Punkte-Niederlage gegen ein Topteam kann mehr wert sein als ein 40-Punkte-Sieg gegen Kleinhintertupfingen. Es reicht also bei weitem nicht „nur einen Blick auf die Statistik zu werfen“ und dabei die ungefähre Stärke von 32 Teams im Hinterkopf zu haben. Allein die FBS hat 120 Teams – und dazu kommen dann noch diverse FCS-Mannschaften. Collegefootball ist also weitaus komplexer und braucht oftmals weitaus mehr Arbeit um zu validen Ergebnissen zu kommen – dennoch erfreut es sich unter Sportwettern zunehmender Beliebtheit.

Der Grund ist denkbar einfach: Jeder Buchmacher durchlebt das gleiche Spiel wie der Sportwetter. Er analysiert jedes Spiel, er versucht an alle Daten zu kommen die er bekommen kann und macht sich dann ein Bild von der Stärke der einzelnen Teams und legt eine Line fest. So weit, so gut.

Im Collegesport hat der Sportwetter nun aber einen unglaublichen Vorteil: Er profitiert von Unmengen von „Public Money“, also dem Geld von Spaßwettern und Fans, das die Buchmacher beschäftigt. Während in der NFL alles sehr übersichtlich ist und der Buchmacher oft sehr gut mit seinen Lines den Geschmack der Masse trifft, hat er diesen Vorteil bei der NCAA nicht. Das große Geld konzentriert sich auf die Teams mit großen Namen, wenn USC gegen Notre Dame und Georgia Tech gegen Texas spielen dann will John Q. Public auch auf diese Spiele wetten. Der Buchmacher konzentriert sich also darauf die Line bei diesen Spielen anzupassen, denn sie bringen das große Geld – oder den großen Verlust. Dabei verlieren viele Sportsbooks die kleinen Partien aus den Augen.

Das ist der große Vorteil der Sportwetter: Sie können sich aussuchen welche Spiele sie genau analysieren und welche sie „aussen vor“ lassen und sie müssen nicht jedes Spiel anbieten. Dadurch das die Buchmacher anderswo beschäftigt sind und gleichzeitig die Prognosen oft sehr schwammig, bieten sich wirklich tolle Wettchancen. In der letzten Woche spielte Middle Tennessee State gegen UL Lafayette, ein Spiel das ehrlich gesagt nicht unbedingt DER Kassenschlager ist. Ich hatte die Gäste mit 14 Punkten vorne – und bekam eine Line von Middle Tennessee State -2.0, das sind immerhin 12 Punkte Puffer! Das Spiel ging 34-14 für Middle Tennessee State aus und damit war die Wette locker durch. Ein anderes Phänomen ist, dass gerankte Teams oft hoffnungslos von der Masse überschätzt werden und das die Buchmacher daher gewaltige Lines ansetzen. Cincinnati +14.0 v Oklahoma ist so ein Beispiel. Am Ende gewannen die großen Favoriten mit 2 Punkten – eine weitere einfache Wette.

Solche Gelegenheiten findet man in der NFL nur sehr, sehr selten. Ich habe in dieser Saison bei den Profis nur drei Spiele gefunden, bei denen ich gröbere Quotenfehler unterstellen würde. Es geht oftmals enger zu, man muss um jeden Punkt Handicap „kämpfen“ – und doch wetten viele Leute ausschließlich die NFL und schrecken vor den Colleges zurück. Wahrscheinlich, weil die Informationsbeschaffung bei den Profis einfacher ist – aber das ist sie für beide Seiten und damit ist das nicht unbedingt ein Vorteil. Die andere Seite der Medaille ist, dass man eben sehr genau weiss was man sich in Boot holt. Sicherlich, es gibt immer wieder Überraschungen, auch in der NFL, aber weitaus seltener als in der NCAA. Das New England sich zu Hause von Tampa Bay weghauen lässt, dass ist so gut wie undenkbar. Ganz im Gegensatz zu den Colleges, wo am Wochenende die #4 Texas als 15.5-Punkte-Home-Favorit mit 12-34 gegen UCLA unterging.

Was meine persönliche Meinung zu diesem Thema ist, ist hoffentlich deutlich geworden: Die NFL gehört in jedes Wettportfolio. Aber der Blick zu den Colleges kann sich sehr schnell auszahlen und sollte zumindest ein mittelfristiges Ziel für jeden erfolgsortientierten Sportwetter sein.

Middle Tennessee State UL Lafayette
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2 Kommentare zu Die NCAA gegen die NFL – aus der Sicht eines Sportwetters

  1. Hajopaj0 sagt:

    Hey thasian,

    danke für den super Blogeintrag. Wie immer sehr gehaltvoll und eine gute Einschätzung der Lage. Da ich gar nichts mit Football anfangen kann hilft mir das nur bedingt weiter, dennoch zeigt es einmal mehr, dass sich ein gegen die Masse wetten lohnen kann!

    Mach weiter so, deine erfolgreiche Pickauswahl zeigt ja die Qualität Deiner Estimations!

  2. Thasian sagt:

    Schön das es dir gefällt 🙂 Freut mich natürlich!

    Chad Millman hat mal was schönes zum Unterschied zwischen Wettern und „der Masse“ gesagt. „In Vegas nobody cares who wins it just matters by how much.“

    Genau darauf kommt es eigentlich an: Oftmals ist man ja der gleichen Meinung, wer gewinnt – aber die Handicap-Line ist einfach total überzogen.

    Gruß,
    Thasian

    Achja: Ich glaube garnicht, dass das so Football spezifisch ist das Thema. Ich sehe ja bei Benni wie er mit seinem Wissen über den Berliner Unterklassenfussball die Buchmacher schlagen kann – eben weil da die gleichen Mechanismen greifen. Kleine Teams, wenig Geld auf dem Spiel, sehr schwammige Einschätzungen.

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