Angelique Kerber, Top10-Spielerin

Sechs ihrer letzten zehn Spiele gegen Top10-Spielerinnen hat Angelique Kerber gewonnen – ab heute ist sie selber eine. Mit dem Halbfinaleinzug beim WTA-Turnier in Rom gehört sie erstmals zu diesem illustren Kreis. Kerber ist erst die siebte Deutsche, der dieses Kunststück gelingt. Und bis August ist sogar noch deutlich mehr drin, denn bis dahin hat sie fast keine Punkte zu verteidigen.

Im August 2011 begann ihre unglaubliche Leistungsexplosion. Nachdem sie zuvor bei elf von 15 Tunieren im Tennisjahr 2011 bereits in der ersten Runde ausgeschieden war, zog sie als Qualifikantin ins Finale des kleineren Turniers in Dallas ein und konnte endlich wieder Selbstvertrauen tanken. Dieser Funke reichte schon, um eine Woche später dann bis ins Halbfinale der US Open zu marschieren und dort erst in drei Sätzen an der späteren Siegerin Sam Stosur zu scheitern.

„Ich spiele dieses Level schon seit ein paar Wochen“, sagte Kerber damals nach ihrem Drittrundensieg in New York. Es gebe zwar immer noch Ups und Downs, aber grundsätzlich spiele sie auf einem guten Level. Woran das lag? „Ich führe das darauf zurück, dass ich viel positiver in die Spiele gehe und mehr an mich glaube. Und darauf, dass ich einen neuen Trainer habe.“ Dieser neue Trainer heißt Torben Beltz. Trainerwechsel können im Tennis ähnlich wichtig sein wie im Fußball, und wer sieht, wie Kerber und ihr Coach während des Spiels miteinander sprechen, der kann einen Eindruck davon bekommen, wie ein fruchtvoller Austausch zwischen Spielerin und Trainer aussehen sollte. Seine Tipps sind oft genau richtig, er versteht es, die Deutsche in schwierigen Phasen zu pushen und in guten mit ihr zu lachen, dafür zu sorgen, dass sie locker bleibt. Und obwohl die WTA vor einigen Jahren eingeführt hat, dass die Trainer ein mal pro Satz auf den Platz kommen dürfen, sieht man solche Szenen nur sehr selten. Oft sind es Floskeln, den die Trainer ihren Spielerinn mitgeben, manche nehmen die Chance des Coachings überhaupt nicht wahr. Bei Kerber und Beltz ist das anders.

Nach besagter Leistungsexplosion in Dallas und bei den US Open hat die Deutsche ebenfalls 15 Turniere gespielt – und ist nur noch zwei Mal in der Auftaktpartie gescheitert. Von 11 aus 15 auf 2 aus 15. Sie hat sich in dieser Zeit zur konstantesten deutschen Spielerin und zu einer der konstantesten Spielerinnen auf der Tour entwickelt. Verloren hat sie zum Turnierstart nur in Luxemburg, wo sie weniger als 72 Stunden nach ihrem Halbfinale von Osaka spielte und nahezu keine Vorbereitungszeit hatte. Und in Miami, wo sie an der laufstarken Chinesin Jie Zheng scheiterte. Bei allen anderen Turnieren gewann sie ihr erstes Spiel – und meist auch noch viel, viel öfter. Zwei Turniere konnte sie bereits gewinnen: Das Premier Event in Paris, wo sie unter anderem Maria Sharapova und Marion Bartoli schlug, und das kleinere Turnier in Kopenhagen, wo sie Jelena Jankovic und Caroline Wozniacki bezwang. Hinzu kommen fünf Halbfinals, zuletzt diese Woche in Rom. Hier musste sie gegen Maria Sharapova der Müdigkeit Tribut zollen nach einem kräftezehrenden Viertelfinal-Sieg gegen Petra Kvitova, immerhin amtierende Wimbledon-Siegerin und Weltranglistenvierte. Wenn sie diese Form nur halbwegs konservieren kann, dann hat sie gute Chancen am Jahresende auch bei den Tour Championships der besten acht Spielerinnen mitzuspielen. Aktuell rangiert sie im Race to the WTA Championships auf Position 5. Nach fünf Monaten Tennis hat auch diese Rangliste schon eine große Aussagekraft.

Deutsche Top10-Spielerinnen:

Spielerin Karrierestart Rücktritt Höchste Platzierung Grand Slam-Titel
Sylvia Hanika 1977 1990 5 0
Bettina Bunge 1978 1989 6 0
Claudia Kohde-Kilsch 1980 1994 3 2
Steffi Graf 1982 1999 1 22
Anke Huber 1989 2001 4 0
Andrea Petkovic 2006 aktiv 9 0
Angelique Kerber 2003 aktiv 10 0

Es gibt einen Satz, der sehr gut zum Spiel von Angelique Kerber passt. Es ist ein Satz, den ihr Trainer Torben Beltz sehr häufig zu ihr sagt, wenn er auf den Platz kommt und ihr Tipps gibt. Er lautet: „Du musst mehr durch den Ball gehen.“ Genau das macht Angelique Kerber besser als fast alle Spielerinnen auf der WTA-Tour. Es ist einer der Hauptgründe für ihre Leistungsexplosion seit August 2010 und auch der Grund, warum sie jetzt sogar auf Sandplätzen richtig gutes Tennis spielt. Durch den Ball gehen – das bringt ihr viel, offensiv wie defensiv. Sie kompensiert damit ihre läuferischen Defzite und sie schafft es damit inzwischen, viele Bälle auszugraben. Oft kann sie dabei aus dem Lauf heraus ihrer Gegnerinnen sogar noch auf dem falschen Fuß erwischen mit klassischen Counterpunch-Schlägen. Aber auch ihr Offensivspiel ist dadurch besser geworden, denn die Streuung ihrer zweifellos tollen Grundschläge wird dadurch geringer und sie macht deutlich weniger Fehler. Sie setzt die Gegnerinnen unter Druck, und wenn sie selbst unter Druck gesetzt wird, schlägt sie oft mit doppelter Härte zurück.

Für die am kommenden Sonntag beginnenden French Open kann man also einiges erwarten von der Deutschen, die von sich sagt, dass sie auf allen Belägen gern spielt. Ihre Teilnahme am Turnier in Brüssel hat sie nach dem tollen Ergebnis in Rom lieber abgesagt. Volle Konzentration auf Paris ist angesagt.

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